Zwei Drittel meines Countdowns sind um. Und heute lege ich mal frech einen Cheatday ein und haue hier einfach irgendeinen uralten Text rein, einen alten Klassiker. Viel Spaß damit.
Blumen gießen
Marcus’ Kopf ist heute Morgen ganz voll mit schlechten Gedanken und Gefühlen. Die drücken von innen gegen seine Schädelwand. Stellt er sich vor. Ist ja noch klein sein Kopf, muss noch wachsen so ein Kindskopf, damit Platz ist für all die schlechten Gedanken und Gefühle. Er geht ins Bad und versucht die komischen Gefühle von seinem Kopf zu waschen. Mit Nagelbürste und Kernseife. Hilft ja bei den Händen auch, wenn er aus dem Garten kommt. Hilft nur jetzt nicht. Er sieht sein Gesicht im Spiegel, ganz rot und es brennt und in seinem Kopf drücken noch immer die schlechten Gedanken gegen seine Schädeldecke. Drücken ihn ins Arbeitszimmer seines Vaters und drücken ihn an die Vitrine seines Vaters, drücken ihm nur Augenblicke später seines Vaters Jagdwaffe in die Hände, die viel zu klein sind dafür und er geht in die Küche, sucht nach den großen Blumen auf Mutters Kittelschürze, aber die Küche ist blumenleer und er geht ins Wohnzimmer, vielleicht dort ein paar Blumen, die sich heben und senken durch Mutters Atem auf Mutters Busen, aber auch im Wohnzimmer ist niemand.
Ein vertrockneter Fikus muss alleine blättern.
Er steht vor der Schlafzimmertür, die manchmal nachts ächzt und stöhnt, wenn Mutter und Vater schlafen, aber die ist jetzt still, nur in seinem Kopf dröhnt es immer lauter und immer schlechter. Er öffnet die Tür und sieht ein Bett voll großer Blumen und Mutter in diesem Blumenmeer und Mutter schläft, kann ja schlafen, hat ja einen viel größeren Kopf als er.
Vater ist nicht da, ist arbeiten. Aber Vaters Jagdwaffe ist da. In seinen kleinen Händen. Und er hält Vaters Jagdwaffe an Mutters Schläfe und denkt an seine Playmobilfamilie und bewundert die großen Blumen auf Mutters Kittelschürze, die sich heben und senken und sein Finger krümmt sich und der Knall ist nur halb so laut wie alles andere in seinem Kopf. Die Blumen hören auf sich zu heben und zu senken, leuchten atemlos jetzt noch strahlender auf Mutters nasser Kittelschürze.
Der Fikus braucht Wasser.
Kommt gut durch die Nacht, habt davor einen tollen Abend, trinkt Glühwein oder nicht. Und wenn ihr heute Nacht ganz, ganz leise seid, dann könnt ihr schon den dritten Advent hören.