IKEA wird das PRIMARK für Möbel. Und alle jubeln.

In der vergangenen Woche schlug die Meldung, dass IKEA ab sofort ein zeitlich uneingeschränktes Umtauschrecht auf so gut wie alle Sortimentsartikel einräumt, ziemlich hohe mediale Wellen. Selbst die sonst so kritischen „Verbraucherschützer“ fanden keinen rechten Angriffspunkt, außer vielleicht die Tatsache, dass IKEA dieses Umtauschrecht jederzeit wieder eingrenzen könne. Ansonsten: durchaus begrüßbar dieses Engagement des Möbelriesen.

Allgemein hatte ich den Eindruck, dass sich relativ breiter Jubel einstellte. Und auch meine erste Reaktion war ein innerliches Aufjauchzen. All die Möglichkeiten, die sich von jetzt an bieten würden … Ich würde ein Sofa kaufen und wenn es mir nicht mehr gefiele … zurück damit zum Schweden. Ich würde Schränke kaufen, Billy-Regale, Betten, ganze Einbauküchen. Es abrocken und verleben und dann wieder mit Geld-zurück-Option umtauschen. Ein ewiger Kreislauf von neuen Möbeln und neuen Einrichtungsgegenständen könnte beginnen. Ohne, dass es sich irgendwie in meiner Geldbörse bemerkbar machen würde. Welch wohlig warmes Gefühl der Freude!

Drei Gedanken später wurde mir aber ziemlich schnell klar, dass dies zwar ein wirklich großer Marketing-Coup der Schweden ist, dieser aber nicht so richtig in das nachhaltige Bio-Bewusst-Sauber-Gutmensch-Landhausstil-Image passt.

Sicherlich ist der Service-Gedanke super und sicherlich gibt es immer mal wieder Fälle, die es eventuell rechtfertigen, dass man sein drei Jahre altes Billy-Regal mit verbogener Presspappenrückwand, durchgehangenen Einlegeböden und 28 Kratzern umtauschen muss. Aber abgesehen von diesen Spezialfällen wird die Aktion in erster Linie das Konsumverhalten von Kunden ändern – und das nicht unbedingt in eine positive Richtung.

Ähnlich wie bei Primark werden auch die IKEA-Artikel bewusstlos konsumiert werden. Dadurch, dass ich sie theoretisch ständig ohne Geldverlust umtauschen kann, sie immer wieder durch neue Sachen ersetzen kann, verlieren sie ihren Wert. Den Kauf eines Sofas muss man nicht mehr lange überdenken.
Kann ich mir das leisten? Ist die Qualität so gut, dass ich auch noch in drei Jahren LWS-Syndrom-frei darauf sitzen kann? Ist das Design zeitlos? Passt das Sofa auch noch, falls ich mal umziehen werde?
All diese Fragen stellen sich nicht mehr wirklich, wenn ich weiß, dass ich die ganze Scheiße einfach wieder vor dem IKEA-Infotresen abladen kann und mein Geld zurückbekomme. Möbel werden so zu einem Wegwerfartikel. Und wir werden noch stärker dazu erzogen, Dinge einfach zu konsumieren. Ohne einen Gedanken an Respekt, Wertigkeit oder Produktionsbedingungen. Hauptsache wir bleiben IKEA treu.

Dass dafür wahrscheinlich reichlich umgetauschte Möbel, die eigentlich noch brauchbar wären, in der Schrottpresse landen werden, reichlich zusätzliche Ressourcen verschwendet werden, reichlich mehr LWK mit neuen flachen IKEA-Paketen die Autobahnen verstopfen werden, ist den Heads-of-Marketing in Schweden natürlich bewusst. Und anscheinend scheißegal. Hauptsache wir kommen immer wieder schön ins blau-gelbe Möbelhaus. Tauschen ein wenig um, nehmen vielleicht noch ein paar Haferkekse mit und blättern ein wenig im neuen Katalog, der uns erzählt, wie sehr die Nachhaltigkeit dem Unternehmen am Herzen liegt.

Bullshit! Weder Nachhaltigkeit liegt IKEA am Herzen noch die Kunden oder die Umwelt. IKEA liegt einzig und allein Geld am Herzen. Und wenn Werbung und Marketing nicht mehr ausreichen, beginnt man halt das komplette Konsumverhalten von Menschen zu verändern. Ganz subtil, langfristig angedacht und immer unter der Lügenüberschrift, dass es eine Verbesserung für den Einzelnen darstellt.

Schade IKEA. Ich mochte dich sehr.

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3 Gedanken zu “IKEA wird das PRIMARK für Möbel. Und alle jubeln.

  1. Natürlich liegt es auf der Hand, dass es IKEA in erster Linie darum geht, Ergebnis zu erwirtschaften. Sonst wäre es ja kein Unternehmen.

    Aber glaubst du im Ernst daran, dass es tatsächlich Menschen gibt, die jetzt vermehrt Möbel retournieren, sich die Mühe machen, die Regale wieder auseinander zu bauen und mit Kassenbon zu retournieren?

    In Dänemark und Norwegen (wenn ich mich recht erinnere) gibt es dieses lebenslange, uneingeschränkte Rückgaberecht schon seit drei Jahren und bislang ist es noch keinen nennenswerten Anstiegen an Retouren gekommen.

    Ich glaube kaum, dass es dazu kommen wird. Für mich ist es einfach nur ein Marketingschachzug. Nicht mehr und nicht weniger.

    Lands End auf dem Bekleidungssektor bietet dies ja auch schon seit Urzeiten an. Der Qualität der Ware hat es keinen Abbruch getan und Marktführer sind sie damit auch nicht geworden. Und Billigmarken sind deswegen garantiert nicht entstanden.

    • Ja, ich glaube schon, dass sich Menschen nach ein, zwei, drei Jahren überlegen, dass ihr Sofa irgendwie nicht mehr so richtig toll ist, sich nen Bulli mieten, den Kram zurückbringen und sich ein neues Sofa mitnehmen.
      Und ich glaube auch, dass durch diesen Kulanz-Umtausch von abgerockten, abgelebten Produkten (egal, ob Möbelstück, Wellensteyn-Jacke oder Tintenfüller), ihre Wertigkeit verloren geht.
      Auf jeden Fall führt die Gewissheit, dass ich alles immer umtauschen kann dazu, dass man sich weniger Gedanken bei der Kaufentscheidung macht. Man kann das Teil ja wieder zurück bringen. Und weniger Gedanken bei Kaufentscheidungen sind meiner Meinung nach genau ein Schritt in die falsche Richtung. Wir sollten uns über unser Konsumverhalten viel mehr Gedanken machen.

      • Oh, ja, da bin ich komplett bei dir, dass wir uns über unser Konsumverhalten Gedanken machen sollten. Ebenso über die Wertigkeit der Produkte. Man sieht ja anhand der Folgen des enormen Anstieg des Elektroschrotts (u.a. Druckerkauf billiger als Ersatzpatrone) wohin das führt. Dennoch glaube ich nicht, dass sich das Retournieren bei Großstücken zum „Trend“ entwickelt.

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