Texte von früher: rädchen

gears-1666499_1920Früher, also in der Zeit, als ich noch nicht journalistischredaktionellfürunternehmen schrieb, als ich noch nicht bloggte und noch keine Bücher mit kaum mehr als meinen Gedanken schrieb, da habe ich mich auch so richtig in Literatur versucht. Mit Kurzgeschichten, einer Handvoll Romanmanuskripte (natürlich allesamt unvollendet) und unzähligen Fragmenten, die nirgendwohin führten. Und – nunja – einige Förderpreise und Stipendien zeigen wohl, dass da ein gewisses Talent meinerseits vorhanden war.

Einige dieser inzwischen zehn bis zwanzig Jahre alten Texte, habe ich hier im Blog auch schon einmal rausgehauen. Hier, hier und hier etwa.  Allerdings zu Zeiten, in denen so gut wie niemand diese Webseite hier kannte.

Insofern – und weil mir gerade kein Thema einfällt, über das ich bloggen könnte (ohne in ein wütendes Mimimim zu verfallen) – stelle ich hier jetzt einfach mal einige dieser alten Perlen online.

Wenn euch ein Text gefällt, freue ich mich über Feedback. Davon lebt ein Kreativer ja.

Hier also der erste, alte und lyrische Text. Erschreckend, wie genau er beschreibt. Mich. Und die Zeit damals. Und irgendwie auch einen scheinbar stahlbetonharten Kern meines Fühlens.

rädchen

wieso bilde ich mir
täglich aufs neue ein
ich könnte ein ganz normaler teil
des alltäglichen lebens sein
oder werden

arbeiten gehen
lernen
klausuren schreiben
und bestehen
steuern zahlen
meine mitmenschen lieben
mitgefühl entwickeln
für unheilbar kranke
behinderte
kriegsopfer

wieso hoffe ich
täglich aufs neue
ich könnte meinen kopf leeren
von all dem müll aus worten und gedanken
und ihn füllen mit sozialer kompetenz
und zielstrebigkeit
weil den müll aus worten und gedanken
niemand haben will

wieso maße ich mir an
nachts zu träumen
vom freistehenden einfamilienhaus
und geregeltem einkommen

wieso
wo ich doch genau weiß dass…

ich knirsche mir die zähne stumpf
meine augen sind wund von sand
der rest von mir ist blutig
weil die formen
täglich aufs neue
nicht passen wollen

will doch nur ein rädchen sein

3 Gedanken zu “Texte von früher: rädchen

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